Porsche Engineering entwickelt seit mehr als 20 Jahren leistungsfĂ€hige Lösungen von Batteriesystemen fĂŒr den Rennsport und die Serie.
Porsche Engineering entwickelt seit mehr als 20 Jahren leistungsfĂ€hige Lösungen von Batteriesystemen fĂŒr den Rennsport und die Serie. Das Batteriemanagementsystem (BMS) hat die Aufgabe, den Zustand der Batterie zu bewerten, die aktuellen Betriebsgrenzen zu definieren und den Betrieb innerhalb dieser Grenzen zu gewĂ€hrleisten.
In batterieelektrischen Fahrzeugen (Battery Electric Vehicle, BEV) spielt das Batteriemanagementsystem (BMS) eine zentrale Rolle. Es besteht aus dem Batterie-Management-Controller (BMC) und den Zellmodul-Controllern (Cell Module Controller, CMC). Die CMCs sind direkt in die Module der Hochvoltbatterie integriert und liefern Messwerte wie Zellspannung- und Temperatur an den BMC. Zudem sind sie fĂŒr das âCell Balancingâ verantwortlich: Hochvoltbatterien bestehen aus vielen einzelnen Niedervolt-ÂBatteriezellen. Allerdings fĂŒhren Toleranzen zu individuellen physikalischen Eigenschaften der Zellen, wodurch es zu Problemen bei der Nutzung des Systems kommen kann. Um das zu verhindern, gleichen die CMCs den Ladezustand der Zellen aus â entweder passiv durch parallel geschaltete WiderstĂ€nde oder aktiv durch den Transfer von Ladung von schwĂ€cheren zu stĂ€rkeren Zellen. Der BMC ist die zentrale Instanz des BMS und nutzt neben den Messwerten der CMCs auch eigene Stromsensoren. Eine seiner Aufgaben ist es, die Sicherheit der Batterie zu gewĂ€hrleisten. Denn Batteriesysteme enthalten groĂe Mengen an Energie und sind in der Lage, diese Energie sehr schnell freizusetzen. Eine unkontrollierte oder ungewollte Freisetzung ist unbedingt zu verhindern. Zudem muss der BMC einen optimalen Kompromiss zwischen der Lebensdauer der Batterie und der Performance finden, weil der Betrieb auĂerhalb der Spezifikationen zu SchĂ€den am System fĂŒhren kann. Typische Ursachen dafĂŒr sind zu hohe Ströme, zu hohe oder zu tiefe Temperaturen, was den Elektrolyten schĂ€digt oder zu einer höheren Stromempfindlichkeit fĂŒhrt, sowie Ăber- oder Unterspannungen, die den Elektrolyten oder die aktiven Materialien schĂ€digen können.
Um das zu verhindern, werden durch das BMS je nach Batteriezustand Stromgrenzen verĂ€ndert, Betriebsmodi begrenzt oder die KĂŒhlung angepasst. âAuf Basis der Messwerte von zahlreichen Temperatur-, Strom- und Spannungssensoren leitet das BMS drei entscheidende Parameter der Batterie ab: den Ladezustand (State of Charge, SoC) und die KapazitĂ€t, die die Restreichweite bestimmen, und den Innenwiderstand, der die Performance begrenztâ, erklĂ€rt Lukas MĂ€urer, Projektleiter Hochvoltbatterie-ÂFunktionen bei Porsche Engineering. âAuĂerdem ist es fĂŒr Sicherheitsfunktionen wie die Ăberstrom-Abschaltung und die Crash-Erkennung sowie fĂŒr die Kommunikation mit den anderen Controllern im Fahrzeug verantwortlich.â
Mehr als 20 Jahre Erfahrung
Porsche Engineering hat bereits diverse BMS im Kundenauftrag entwickelt und kann dabei alle Aufgaben ĂŒbernehmen, die lĂ€ngs des V-Modells anfallen â von der Anforderungserhebung bis hin zum Fahrzeugtest. âAls Unternehmen sind wir schon seit mehr als 20 Jahren auf diesem Gebiet tĂ€tig, ich selbst beschĂ€ftige mich seit sechs Jahren mit Batteriemanagementsystemenâ, sagt MĂ€urer. Trotz aller Erfahrungen in zahlreichen Projekten bleibt die Entwicklung eines BMS selbst fĂŒr erfahrene Entwickler eine anspruchsvolle Aufgabe: Die Software ist ausgesprochen komplex, was sowohl die Technik als auch die Projektleitung vor einige Herausforderungen stellt. Darum legt Porsche Engineering groĂen Wert auf einen stringenten und transparenten Prozess. An seinem Beginn steht das Anforderungsmanagement, dem die Experten besondere Aufmerksamkeit schenken. âDenn es werden nicht nur die technischen Grundlagen gelegt â hier entscheidet sich auch der weitere Projektverlaufâ, betont Achim Olpp, Projektleiter bei Porsche Engineering.
PrĂŒfung des Lastenhefts
Bereits bei der âWareneingangsprĂŒfungâ eines neuen Lastenheftes mĂŒssen mögliche Probleme erkannt und beseitigt werden. Olpp verweist auf die âRule of Tenâ: Mit jeder Stufe der Software-Entwicklung steigen die Kosten fĂŒr die Fehlerbehebung um den Faktor 10. Der Aufwand nimmt mit jedem Prozessschritt zu, da bereits erfolgte Arbeit ĂŒberprĂŒft und ab dem Fehler erneut erledigt werden muss. Auch Folgefehler mĂŒssen wieder âeingefangenâ werden. Dies gefĂ€hrdet fast automatisch die oft eng gesteckten TerminplĂ€ne, insbesondere bei Software fĂŒr mehrere Kunden in angepassten Varianten.
Um solchen Zusatzaufwand zu verhindern, hat es sich bewĂ€hrt, dass der Verfasser des Software-Pflichtenheftes unter der Leitung des Anforderungsingenieurs alle Projektbeteiligten zu einem âReviewâ des vom Kunden gelieferten Lastenheftes zusammenruft. âDann sind alle an einem Tisch versammelt, darunter die Software-Architekten und -Entwickler sowie die Tester und der Kundeâ, erklĂ€rt Olpp. âSo kann man die Anforderungen aus dem Lastenheft viel besser verstehen und die möglichen Lösungen fĂŒr das Pflichtenheft gezielter festlegen. Bei mehreren Kunden bietet das Review die Möglichkeit zur Moderation unterschiedlicher Interessen.â Das erhöhe zu Beginn zwar etwas den Aufwand, fĂŒhre langfristig aber zu einer deutlichen Zeitersparnis. Auf dieser soliden Basis baut die Planung der ArbeitsumfĂ€nge auf. âWir veranstalten zwei Wochen vor jedem Software-Releasezyklus einen KapazitĂ€ts-Workshop, bei dem der Bedarf des Kunden mit den zur VerfĂŒgung stehenden Ressourcen abgeglichen wirdâ, berichtet Olpp. âSo wissen wir genau, was in der zur VerfĂŒgung stehenden Zeit erreicht werden kann. Und der Kunde kann gegebenenfalls die Arbeitspakete priorisieren.â
KapazitÀten klar aufzeigen
PrĂ€zises KapazitĂ€tsmanagement kann auch den gefĂŒrchteten âScope Creepâ verhindern helfen. Dabei verĂ€ndern sich die Anforderungen an ein Produkt kontinuierlich und ungesteuert wĂ€hrend seiner Entwicklung, was oft zu Verzögerungen fĂŒhrt. âWenn man seine KapazitĂ€ten klar aufzeigt, kann man auch die Auswirkungen einer solchen Anforderungsdynamik besser verstehen und koordinierenâ, so Olpp. Speziell beim Einsatz von Software-Gleichteilen fĂŒr mehrere Modelle und Marken ist bei diesem Schritt viel Sorgfalt nötig. Denn falsch eingesteuerte UmfĂ€nge können aufgrund der modularen Terminschiene gleich mehrere Fahrzeugbaureihen gefĂ€hrden. Software-Architekten sind bei der BMS-Entwicklung ebenfalls mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Sie mĂŒssen unter anderem berĂŒcksichtigen, dass die Zellchemie und der Aufbau der Batterien sich stĂ€ndig weiterentwickeln.
âEine verĂ€nderte Batterie-KĂŒhlung hat unter anderem Auswirkungen auf das Thermomanagementâ, erklĂ€rt MĂ€urer. âDie Temperatur der einzelnen Batteriezellen kann nicht vollstĂ€ndig sensorisch erfasst werden. Wenn beispielsweise 60 Sensoren genutzt werden, um die Temperatur fĂŒr 200 Zellen zu bestimmen, muss die Software-Architektur verschiedene Verbaupositionen der Sensoren und unterschiedliche KĂŒhlkonzepte wie mehrseitige KĂŒhlplatten unterstĂŒtzen.â Darum mĂŒsse man die BMS-Funktionen so entwickeln, dass sie sich leicht an solche VerĂ€nderungen anpassen lassen. Auch bei der Software-Architektur fĂŒhrt der Einsatz von Software-Gleichteilen zu zusĂ€tzlichen Herausforderungen. Sie machen modulare Strukturen erforderlich, die einerseits die Anforderungen eines spezifischen Fahrzeugs erfĂŒllen und andererseits nicht zu Nachteilen bei anderen Modellen fĂŒhren.
âOhne solide Prozesse ist ein BMS-Projekt wie ein Hochhaus ohne stabiles Fundament.â
Achim Olpp, Projektleiter bei Porsche Engineering
An Ressourcen anpassen
Die Software-Entwicklung folgt auf die Festlegung der Software-Architektur und hat das Ziel, Lösungen aus der Vorentwicklung serientauglich zu machen. Eine typische Aufgabe besteht zum Beispiel darin, Algorithmen an die begrenzten Ressourcen hinsichtlich Rechenleistung und SpeicherkapazitĂ€t der SteuergerĂ€te in Fahrzeugen anzupassen â ohne dass die QualitĂ€t der Ergebnisse leidet. âIn der Vorentwicklung wird in der Regel meist nur eine einzige Zelle mit Sensoren ĂŒberwacht, im Fahrzeug sind es mehrere Dutzendâ, sagt MĂ€urer. âMan kann den fĂŒr einen Prototyp verwendeten Algorithmus in der Serie aber nicht einfach dutzende Male nacheinander ablaufen lassen, weil dadurch die erforderliche Rechenleistung zu hoch wĂŒrde.â Zudem werden in BEVs viele innovative Funktionen eingesetzt, zum Beispiel fĂŒr das Schnellladen. Sie operieren oft an der Grenze des aktuell technisch Machbaren. Diese Funktionen mĂŒssen beim Ăbergang vom Prototypen- zum Serienstand so robust gemacht werden, dass sie unter allen Bedingungen ohne Probleme ablaufen. âBeim Schnellladen könnte man das durch die Implementierung von Regelalgorithmen erreichen, die den Ladestrom bei drohender Ăberhitzung oder SpannungsĂŒberschreitung begrenzenâ, sagt MĂ€urer.
âWir haben viele Erfahrungen bei der BMS-Entwicklung gesammelt, vom Rennsport bis zur GroĂserie.â
Lukas MĂ€urer, Projektleiter Hochvoltbatterie-Funktionen bei Porsche Engineering
Verfolgt der Kunde zusĂ€tzlich eine Software-Gleichteilstrategie, mĂŒssen die Entwickler auch eine hohe Anpassbarkeit ihrer Funktionen gewĂ€hrleisten, um sich beispielsweise an verschiedene Zellchemien oder Hardware-Konzepte anpassen zu können. âSoftware-Entwicklung fĂŒr die Serie ist eine Transferleistung, fĂŒr die unter anderem Porsche Engineering besonders gute Voraussetzungen mitbringtâ, fasst MĂ€urer zusammen. âWir haben viele Erfahrungen bei der BMS-Entwicklung gesammelt, vom Rennsport bis zur GroĂserie. Unsere Lösungen sind in allen Marken des Volkswagen-Konzerns vertreten, aber auch im 919 Hybrid, dem Le-Mans-Sieger von Porsche.â Daneben verfĂŒgt Porsche Engineering auch ĂŒber ein eigenes Zell- und Batterie-Know-how sowie ĂŒber Erfahrungen mit neuen Technologien wie 800-Volt-Netzen in Fahrzeugen. Wie gut die entwickelte Software die Anforderungen erfĂŒllt, bewerten die Experten erstmals beim Modultest. Dabei werden die kleinsten Einheiten der Programme â zum Beispiel fĂŒr die Berechnung der RestkapazitĂ€t â mit definierten Eingangswerten gespeist. Liefern sie die erwarteten Ergebnisse, arbeitet der Algorithmus grundsĂ€tzlich korrekt. Andernfalls mĂŒssen die Software-Entwickler den Programmcode bearbeiten. âAls erster Verifikationsschritt bietet der Modultest viel Potenzial, um Zeit und Geld einzusparenâ, so MĂ€urer. âDenn alles, was hier gefunden wird, wĂ€re spĂ€ter im Projektverlauf nur mit deutlich höherem Aufwand zu beheben.â
Vier-Augen-Prinzip beim Test
Bei Porsche Engineering gilt fĂŒr den Modultest das Vier-Augen-Prinzip: Programmierung und Test werden von unterschiedlichen Mitarbeitern durchgefĂŒhrt. Ganz am Ende kommt noch ein Vertreter der QualitĂ€tssicherung hinzu, der neben dem Ergebnis auch die zuvor durchlaufenen Entwicklungsprozesse validiert. So ist sichergestellt, dass die nĂ€chsten Schritte des V-Modells â Integrations-, Software- und Fahrzeugtests â auf einer guten Grundlage aufbauen können. Denn fĂŒr den gesamten Entwicklungsprozess gilt der Hinweis von Projektleiter Olpp: âOhne solide Prozesse ist ein BMS-Projekt wie ein Hochhaus ohne stabiles Fundament.â