Verkehrssicherheitsreport: Intakte Technik kann Leben retten

Studien belegen immer wieder, dass sich dank moderner Fahrzeugtechnik zahlreiche UnfÀlle vermeiden oder zumindest deren Folgen deutlich vermindern lassen.

Stuttgart (ots)

  • Fahrzeugzustand hat großen Einfluss auf sicherheitsrelevante Fahrmanöver
  • Aktuelle DEKRA Fahrversuche zu Reifen, Bremsen, Fahrwerk etc.
  • FĂŒhrerscheinneulinge sollten nicht ohne ESP unterwegs sein

Studien belegen immer wieder, dass sich dank moderner Fahrzeugtechnik zahlreiche UnfĂ€lle vermeiden oder zumindest deren Folgen deutlich vermindern lassen. DafĂŒr dĂŒrfen die verbauten Systeme und Bauteile allerdings keine gravierenden MĂ€ngel oder unzulĂ€ssigen BauartverĂ€nderungen aufweisen und mĂŒssen einwandfrei funktionieren. Wie wichtig das ist, hat DEKRA in Fahrversuchen fĂŒr den DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2022 “MobilitĂ€t junger Menschen” eindrĂŒcklich unter Beweis gestellt. “Ob die Insassen eines Fahrzeugs sicher und unversehrt ans Ziel kommen, hĂ€ngt unter anderem entscheidend vom Zustand der Bremsen, des Fahrwerks und der Reifen ab”, erklĂ€rt DEKRA Unfallforscher Markus Egelhaaf.

Je moderner ein Fahrzeug ist, desto lĂ€nger ist in aller Regel die Liste der darin verbauten Fahrerassistenzsysteme. Diese unterstĂŒtzen in kritischen Situationen dabei, das Fahrzeug kontrollierbar zu halten. Dass die Systeme nur innerhalb der physikalischen Grenzen wirken können, dĂŒrfte jedem Autofahrenden auf abstrakte Art bewusst sein. Welchen großen Einfluss aber ganz konkret der Zustand von Reifen, Bremsen und Fahrwerk auf diese Grenzen hat, ist vielen nicht bekannt.

Zur Verdeutlichung hat DEKRA diesen Zusammenhang im Rahmen mehrerer Fahrversuche unter Beweis gestellt. FĂŒr den DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2022 “MobilitĂ€t junger Menschen” kamen dabei im DEKRA Technology Center am DEKRA Lausitzring in Brandenburg Gebrauchtwagen zum Einsatz, die vor allem bei jungen FahranfĂ€ngern wegen geringer Anschaffungskosten oder den Ruf besonderer ZuverlĂ€ssigkeit sehr beliebt sind.

So haben die DEKRA Experten zum Beispiel mit einem VW Golf VII bei drei bis fĂŒnf Grad Celsius Außentemperatur vergleichende Bremsversuche auf nasser, sehr griffiger Asphaltfahrbahn durchgefĂŒhrt. Die Ursprungsbereifung bestand aus Ganzjahresreifen einer Premiummarke mit einer minimalen Profiltiefe zwischen 4,8 und 4,0 Millimetern. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h betrug die BremsweglĂ€nge in mehreren Versuchen nahezu konstant 44,4 Meter. Anschließend wurden Reifen, Bremsen und StoßdĂ€mpfer erneuert. Die Reifen wurden durch neue Winterreifen einer Premiummarke ersetzt. Die BremsweglĂ€nge konnte so auf durchschnittlich 38,7 Meter reduziert werden.

In der gleichen Versuchskonstellation wurde mit demselben Fahrzeug auch mit der Bremsausgangsgeschwindigkeit von 160 km/h gefahren. Hier reduzierte sich der Bremsweg durch die Erneuerungen von 111,0 auf 98,3 Meter. Die BremsweglĂ€nge ließ sich somit bei beiden Geschwindigkeiten um etwa 11 bis 13 % verringern. Wie groß der damit verbundene Sicherheitsgewinn ist, wird angesichts der Restgeschwindigkeit deutlich, die das unreparierte Fahrzeug an der Stelle noch hatte, an der es mit erneuerten Teilen bereits zum Stillstand kam. Bei der Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h betrug sie noch fast 30 km/h, bei 160 km/h sogar rund 55 km/h.

Zustand von DĂ€mpfern und Federn hat großen Einfluss auf Fahrsicherheit

Mit einem Honda Jazz fuhren die Experten von DEKRA außerdem einen doppelten Fahrspurwechsel. Hierbei wird eine Ausweichreaktion auf ein plötzlich auf der Fahrbahn erscheinendes Hindernis mit anschließendem ZurĂŒcklenken auf den ursprĂŒnglichen Fahrstreifen simuliert (Nachfolger des sogenannten Elchtests). Die FahrbahnoberflĂ€che wurde bei allen Versuchsfahrten identisch bewĂ€ssert. Im Originalzustand waren Ganzjahresreifen mit jeweils mindestens fĂŒnf Millimetern Profiltiefe aufgezogen. So konnte der Parcours bis zu einer Geschwindigkeit von 65 km/h durchfahren werden, bei höheren Geschwindigkeiten brach das Fahrzeug, das nicht mit ESP ausgestattet war, aus.

Nach der Erneuerung von Bremsen, Reifen und StoßdĂ€mpfern war ein Durchfahren mit 70 km/h möglich. Zum Einsatz kamen neue Ganzjahresreifen eines namhaften Herstellers. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass alle Fahrten von einem professionellen Testfahrer durchgefĂŒhrt wurden und die Bereifung der ersten Versuchsreihe eine gute Profiltiefe aufwies. Bereits fĂŒr erfahrene “Normal”-Fahrerinnen und -Fahrer ist ein sicheres Durchfahren eines solchen Parcours – oder eben das Ausweichen in einer realen Notsituation – in diesem Geschwindigkeitsbereich kaum möglich. “FĂŒr unerfahrene FahranfĂ€nger ist im Ernstfall schon bei weitaus geringeren Geschwindigkeiten mit einem Kontrollverlust zu rechnen”, gibt DEKRA Unfallforscher Markus Egelhaaf zu bedenken. Das Mehr an Sicherheit, das dabei durch die ersetzten Teile gewonnen werde, sei nicht zu unterschĂ€tzen.

ESP kann SchleuderunfÀlle oder Abkommen von der Fahrbahn verhindern

Wie wichtig ein guter Fahrzeugzustand im Hinblick auf Fahrwerk, Bremse und Bereifung fĂŒr die EffektivitĂ€t eines verbauten ESP ist, zeigte ein weiterer Versuch. Der verwendete BMW 1er (E87) war mit Markensommerreifen ausgerĂŒstet. Auf der Vorderachse betrug die Profiltiefe 2,2 beziehungsweise 2,6 Millimeter, auf der Hinterachse 1,7 und 2,0 Millimeter. Der Pkw wurde auf nasser Asphaltfahrbahn je dreimal auf 130 km/h beschleunigt, danach steuerte ein Lenkroboter ein ruckartiges Ausweichmanöver ein. Normalerweise ist es mit ESP in dieser Situation kein Problem, das Fahrzeug stabil zu halten. Doch obwohl das ESP ordnungsgemĂ€ĂŸ funktionierte, brach das Fahrzeug bei mehreren Versuchsfahrten aus. “Das zeigt, dass auch die ESP-Regelung nur in den Grenzen wirksam wird, innerhalb derer Fahrwerk, Bremsen und Reifen die entsprechenden KrĂ€fte auf die Fahrbahn ĂŒbertragen können”, sagt Markus Egelhaaf. Anschließend wurden Bremsen und StoßdĂ€mpfer erneuert sowie die RĂ€der mit neuen Reifen des gleichen Typs ausgestattet. Bei allen drei Versuchsfahrten nach der Reparatur kam es zu keinem Zeitpunkt zu einem Verlust der Bodenhaftung. Das Fahrzeug wurde vom ESP konsequent eingefangen und blieb stabil.

GrundsĂ€tzlich sind gute Bremsen und ein zuverlĂ€ssiger und stabiler Kontakt zwischen Reifen und Fahrbahn bei allen FahrbahnzustĂ€nden essenziell. Sie sind auch Grundbedingung fĂŒr eine optimale Wirkung von Assistenzsystemen wie dem ABS oder dem ESP. Beim Gebrauchtwagenkauf ist daher unbedingt darauf zu achten, dass diese Komponenten in gutem Zustand sind bzw. unmittelbar nach gĂŒnstigem Kauf fachgerecht instandgesetzt werden. Pkw ohne ESP sollten – insbesondere auch fĂŒr FahranfĂ€nger – nicht gekauft werden.

Hauptuntersuchung deckt sicherheitsrelevante MĂ€ngel auf

Die von DEKRA durchgefĂŒhrten Versuche unterstreichen ein weiteres Mal, welch große Bedeutung ein guter technischer Fahrzeugzustand fĂŒr die Verkehrssicherheit hat und wie wichtig es ist, diesen auch regelmĂ€ĂŸig unabhĂ€ngig zu ĂŒberprĂŒfen. Das gilt erst recht fĂŒr Ă€ltere Fahrzeuge, die in der Regel wesentlich hĂ€ufiger erhebliche MĂ€ngel aufweisen und damit ein grĂ¶ĂŸeres Unfallrisiko darstellen als jĂŒngere Fahrzeuge. “Neben der natĂŒrlichen Alterung und dem Verschleiß der Fahrzeuge kann auch das oftmals fehlende Bewusstsein fĂŒr technische MĂ€ngel sowie Sparen bei Reparatur und Wartung fatale Folgen haben”, warnt Markus Egelhaaf. Der DEKRA Experte denkt in diesem Zusammenhang speziell auch an junge Fahrer, die vor allem aus finanziellen GrĂŒnden sehr hĂ€ufig mit Ă€lteren Fahrzeugen unterwegs sind.

Die im DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2022 untersuchten Ergebnisse der von DEKRA 2020 in Deutschland durchgefĂŒhrten Hauptuntersuchungen von Pkw verdeutlichen eindrĂŒcklich die mit zunehmendem Fahrzeugalter ansteigende MĂ€ngelquote. Bis zu drei Jahre alte Fahrzeuge hatten zu knapp 8 % MĂ€ngel, ĂŒber fĂŒnf bis sieben Jahre alte Fahrzeuge zu etwa 20 %. Über neun Jahre alte Fahrzeuge kamen hier schon auf eine MĂ€ngelrate von 40 %, 25 % wiesen in dieser Gruppe sogar erhebliche MĂ€ngel auf. Nimmt man die gefundenen MĂ€ngel im Detail unter die Lupe, so zeigt sich, dass die lichttechnischen Einrichtungen mit etwa 25 % am hĂ€ufigsten bemĂ€ngelt werden; es folgt die Bremse mit rund 16 %. MĂ€ngel an Achsen mit RĂ€dern und Bereifung nahmen mit ĂŒber 14 % ebenfalls einen hohen Stellenwert ein.

HintergrĂŒnde zum Thema sowie viele weitere Informationen liefert der aktuelle DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2022 “MobilitĂ€t junger Menschen”. Er steht online unter www.dekra-roadsafety.com zum Download zur VerfĂŒgung. Dort finden sich auch sĂ€mtliche VorgĂ€nger-Reports inklusive weitergehender Inhalte, etwa in Form von Bewegtbildern oder interaktiven Grafiken.

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