EuGH-Urteil gegen Mercedes: Autobranche fĂŒrchtet Milliarden-Haftung

Mercedes-Benz, der Stuttgarter Autobauer von Weltruf, hat vor dem EuropÀischen Gerichtshof (EuGH) eine schwere Schlappe erlitten.

Köln (ots) – Mercedes-Benz, der Stuttgarter Autobauer von Weltruf, hat vor dem EuropĂ€ischen Gerichtshof (EuGH) eine schwere Schlappe erlitten. Das Gericht urteilte, dass Mercedes auch fĂŒr fahrlĂ€ssige RechtsverstĂ¶ĂŸe gegen die europĂ€ischen Zulassungsbestimmungen haftet. Dies bedeutet eine deutlich erweiterte rechtliche Verantwortung fĂŒr alle Hersteller, die sich sowohl auf schon anhĂ€ngige als auch auf neue Klageverfahren auswirkt.

Der EuropĂ€ische Gerichtshof (EuGH) hat am 21.03.2023 in der Rechtssache C-100/21 ein Urteil gesprochen, das fĂŒr alle von Abgasmanipulationen betroffenen AutokĂ€ufer hohe Relevanz hat. Das Gericht bestĂ€tigte die Ansicht des EuGH-Generalanwalts Rantos und entschied, dass die maßgebliche EU-Verordnung Nr. 715/2007 ĂŒber die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen jeden einzelnen KĂ€ufer schĂŒtzt.

Das heißt: Betroffene haben einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Autohersteller, die illegale Abschalteinrichtungen verwendet haben und mĂŒssen dafĂŒr nicht mehr den Vorsatz der Hersteller nachweisen, sondern lediglich deren FahrlĂ€ssigkeit.

Konflikt zwischen BGH und EuGH schwelt schon lÀnger

Brisant ist, dass der Bundesgerichtshof (BGH) sich bisher gegen gegen eine solche Anwendung der EU-Verordnung gesperrt hatte und damit AnsprĂŒche nach § 823 Abs. 2 BGB nur bejaht wurden, wenn der Vorsatz der Autobauer belegt werden konnte. Die Karlsruher Richter hatten dabei sogar eine Vorlage an den EuGH verweigert, weil sie die Rechtsfragen fĂŒr ausreichend geklĂ€rt hielten. Erst aufgrund einer Vorlage des Landgerichts Ravensburg, die das Bundesgericht sehr kritisch sah, befasste sich der EuGH mit der Materie.

Dr. Veaceslav Ghendler, Partner der Kanzlei GHENDLER RUVINSKIJ hat dazu seine eigene Meinung: “Mir scheint es fast so, als dass der Bundesgerichtshof hier mehr die Gewinne der Großkonzerne verteidigt, als das Recht. Anders ist die Art und Weise, wie der BGH immer wieder Vorlageverfahren blockiert, kaum zu erklĂ€ren. Ich hoffe, dass in Karlsruhe nun endlich ein Umdenken stattfindet.”

Das aktuelle Verfahren hat das Luxemburger Gericht genutzt, um ein Machtwort zu sprechen, dem der BGH sich kaum entziehen kann. Doch der Krimi ist noch nicht auserzÀhlt. Der nÀchste Teil wird am 8. Mai 2023 erwartet, wenn der BGH zu einer Àhnlichen Angelegenheit verhandelt. Wird sich das höchste deutsche Gericht dem Druck der Luxemburger Richter beugen? Oder kommt es zur Eskalation?

Geht es nach der rechtlichen und gerichtlichen Hierarchie, dann ist die Sache eindeutig. EuropĂ€isches Recht genießt hier den Vorrang vor nationalen Regelungen. Mit dem Resultat, dass der BGH seine bisherige Rechtsprechung aufgeben mĂŒsste und klarzustellen hĂ€tte, dass der Beweis der FahrlĂ€ssigkeit bei dem Verbau von Abschalteinrichtungen ausreicht.

Position fĂŒr GeschĂ€digte hat sich deutlich verbessert

Klar ist schon jetzt. Die Rechtsposition der geschĂ€digten AutokĂ€ufer hat sich deutlich verbessert. Die Chancen auf ein positives Ende des Verfahrens und damit auf die Zahlung von Schadensersatz steigen durch die Haftung fĂŒr FahrlĂ€ssigkeit deutlich an. Und auch das Thema NutzungsentschĂ€digung, dass der EuGH gleichfalls kritisch betrachtete, dĂŒrfte durch das Urteil zugunsten der KĂ€ufer beeinflusst werden.

Dazu kommt, dass durch Feststellung der Anwendbarkeit von EU-Recht auch das Thema VerjÀhrung im anderen Licht erscheint. Denn der EuGH hat in den letzten Jahren immer wieder klargestellt, dass die Wahrnehmung von EU-Recht nicht durch nationale Vorschriften behindert werden darf. Vielmehr muss Verbrauchern eine faire Chance auf Wahrnehmung Ihrer Rechte gewÀhrt werden.

Nimmt man diese Rechtsprechung fĂŒr bare MĂŒnze, dann mĂŒssten sich auch AltfĂ€lle, die anderenfalls verjĂ€hrt wĂ€ren, ĂŒber den Verstoß gegen EU-Verordnung Nr. 715/2007 noch ins Verfahren bringen lassen. Eine Möglichkeit, die den Autoherstellern gar nicht schmecken dĂŒrfte und die noch weiterer rechtlicher ErwĂ€gungen bedarf.

Dr. Ghendler hat hier eine klare Ansage an die Autohersteller: “Wir verfolgen jeden Anspruch, der Aussicht auf Erfolg hat. Die Hersteller werden sich nicht verstecken können.”

Ob wirklich eine neue Klagewelle anrollt, wie viele Medien und Kommentatoren erwarten, ist noch völlig offen. Die Anwaltschaft jedenfalls ist darauf vorbereitet, das in die RealitĂ€t umzusetzen, was das höchste europĂ€ische Gericht fĂŒr Recht erkannt hat.

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